CIDP - Frühzeitige Diagnose und Therapie entscheidend für den Verlauf

Professor Yoon betont, wie wichtig die frühzeitige Diagnose bei CIDP ist. Leider wird den Polyneuropathien, zu denen die CIDP gehört, noch nicht überall ausreichende Beachtung geschenkt.

Die Diagnose einer CIDP ist oft nicht leicht. Warum ist es so wichtig, die Erkrankung so früh wie möglich zu erkennen?

Die CIDP zählt zu den seltenen Erkrankungen mit einer Häufigkeit von bis zu 9 Patienten pro 100.000 Einwohner. Zusammen mit ihren atypischen Varianten bildet die CIDP ein Spektrum von Erkrankungen, die in Verbindung mit ihrer Seltenheit schwierig zu diagnostizieren sind. Zudem wird sogenannten Polyneuropathiensyndromen, denen die CIDP zugeordnet wird, noch nicht überall ausreichende Beachtung geschenkt. Es wird häufig vergessen, dass es durch die verzögerte Behandlung zu einer irreversiblen Nervenschädigung kommen kann, die bis zum Verlust der Selbständigkeit der Patienten führen kann. Daher ist es unglaublich wichtig, dass die Erkrankung schnell diagnostiziert und die Therapie begonnen wird. Wenn es klinische Hinweise auf Nervenentzündung gibt, sollten sich betroffene Patienten schnell mit einem mit Polyneuropathiesyndromen erfahrenen Neurologen in Verbindung setzen.

Was sind die wichtigsten Warnzeichen für eine CIDP?

Die wichtigsten Warnzeichen sind Lähmungserscheinungen, die meist in den Beinen beginnen. Sie werden anfangs als leichte Muskelschwäche in den Beinen oder auch Armen wahrgenommen. Daneben kann es im frühen Stadium der Erkrankung zu Empfindungsstörungen - beispielsweise Kribbeln, Taubheitsgefühle – oder auch Nervenschmerzen kommen.

„Die wichtigsten Warnzeichen sind Lähmungserscheinungen, die meist in den Beinen beginnen.“

Entgegen der Lehrbuchmeinung können sich bei der CIDP Symptome auch in rumpfnahen Muskelgruppen (z.B. Oberschenkelmuskulatur, d.h. Schwäche der Hüftbeugung) niederschlagen. Die Symptome müssen nicht zwingend symmetrisch ausgeprägt sein. Wenn nach Beginn der Symptome, ob nun ein- oder beidseitiger Beginn, eine rasche Zunahme der Symptome (innerhalb weniger Wochen) zu verzeichnen ist, oder aber gar neben Lähmungen auch ein Muskelschwund auftritt, dann muss schnellstmöglich ein Neurologe aufgesucht werden. 

Wie kann der Arzt eine CIDP von anderen sogenannten Polyneuropathien unterscheiden?

Die Unterscheidung kann eine große Herausforderung sein. Am meisten helfen tatsächlich die Beschreibungen der Patienten und die klinische Erfahrung. Dem Arzt stehen zur Diagnosestellung eine Reihe von Untersuchungen zur Verfügung. Die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit allein hilft nicht besonders, vor allem dann nicht, wenn die Erkrankung schon weiter fortgeschritten ist und die Interpretation der Nervenmessung erschwert ist. Dagegen kann die Ableitung der Muskelpotenziale — eine invasive Methode — tatsächlich den weiter aktiven Entzündungsprozess und auch im weiteren Verlauf den Verlust von Muskeleinheiten erkennen. Im Vergleich zu den Messungen der Nervenleitgeschwindigkeit werden oft zu wenige Muskelpotenzialuntersuchungen gemacht. Neuere bildgebende Verfahren (Ultraschall oder MRT-Techniken) sind in der Neurologie leider nach wie vor nicht flächendeckend etabliert, auch wenn die Ultraschalluntersuchung der Nerven in wenigen Kliniken, wie bei uns in Hattingen, routinemäßig schon gemacht wird. 

Ist die Diagnose gestellt, sollte so schnell wie möglich mit der Therapie begonnen werden. Wie ist die Prognose für den weiteren Verlauf der Erkrankung?

Aufgrund der Seltenheit und der verschiedenen Formen der CIDP ist eine genaue Prognose schwierig. Es ist meines Erachtens sehr wichtig, dass mit den betroffenen Patienten besprochen werden muss, was das zu erwartende Therapieziel ist. Viele Patienten erwarten, dass immer eine Besserung der Symptome oder idealerweise ein kompletter Rückgang eintritt – und zwar nach dem ersten Behandlungszyklus. Dabei vergessen sie, dass der Therapiebeginn ähnlich einem Bremsvorgang beim PKW zwar die Verzögerung einleitet, aber nicht sofort zum Stillstand führt. Die Prognose der Erkrankung wird maßgeblich davon beeinflusst, wie lange die Symptome unbehandelt schon bestehen. Anders ausgedrückt sind die Chancen auf die bestmögliche Therapieantwort immer dann am besten, wenn die Therapie möglichst früh nach Ausbruch der Erkrankung beginnt. Auch wenn die Erkrankung nicht heilbar ist, kann doch vielen Betroffenen geholfen werden. 

Was ist für den langfristigen Umgang mit der Erkrankung wichtig?

Die meisten Patienten haben eine Odyssee hinter sich, bis ihnen die Diagnose CIDP mitgeteilt wird. Sie sind zum Teil verzweifelt, hilflos und suchen Rat. Ein transparenter, offener Umgang und eine Aufklärung des Patienten, über die Hintergründe und die Art der Erkrankung sowie des realistischer Weise zu erwartenden Therapieerfolgs sind aus meiner Sicht sehr wichtig. Eine langfristige Therapie ist dann am erfolgver­sprechendsten, wenn sich die betroffenen Patienten darin wiederfinden. Aus meiner Erfahrung sind die Meisten erleichtert, dass ihnen eine Diagnose mitgeteilt wird und eine Aufklärung erfolgt. Wenn das Verständnis für die Erkrankung bei den Patienten wächst, sehen sie darin auch die Notwendigkeit für die dauerhafte Therapie und entwickeln damit einhergehend eine Eigenmotivation zur Mitarbeit im Behandlungsprozess. 

Prof. Dr.med. Min-Suk Yoon Klinik für Neurologie und Stroke Unit, Evangelisches Krankenhaus Hattingen

Prof. Dr. med. Martin Stangel

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